kurt zebasin

ich wohne im haus mit knut rabsierz. Er ist letzten monat hier eingezogen. Manche mögen sich nun darüber empören, manch andere mir das neiden oder es mag manchem egal sein. Bei mir ist es, wie es ist und ich kann es leider nicht ändern.

Ich öffne am morgen meine türe und er wirft mir ein zünftiges ‚Grüß Gott, sind sie heute auch schon auf?‘ im stiegenhaus entgegen. Dann marschiert er zackigen schrittes mit zwei leibwächtern an mir vorbei. Mir scheint noch, ich sehe eine zeitung in seiner hand und als ich mit dem ihm-nachschauen fertig bin, will ich endlich nach meiner eigenen greifen, die ich auf meiner türmatte vermute, wo sie aber tatsächlich die letzten tage nicht gelegen hat. sie ist heute wieder nicht da.

Kurt zebasin wohnt oben und ich wohne unten im haus.

Ich bestelle mir ein taxi, weil ich – wie oft – zu spät dran bin. Während ich die stiegen hinuntersteige, traben kurt zebasin und seine zwei leibwächter an mir vorbei. Heute geht er mit einem knappen Gruß vor mir aus der Haustüre. Als ich sie öffne, sehe ich gerade noch, wie er in das von mir bestellte taxi einsteigt und damit davonbraust.

Ich wohne im haus mit kurt zebasin. Mein kinderwagen, der immer unten beim eingang steht, ist nass. Er riecht komisch und ich habe den verdacht, dass mir wer draufgepinkelt hat. Die haustür öffnet sich und zeb trausnik kommt herein. Ich spreche ihn an, ob er etwas gesehen hätte und ob er wisse, warum mein kinderwagen nass ist? Er wirft mir beim vorbeigehen einen seitlichen blick zu und ruft mir dann flotten schrittes zu, dass er nichts darüber wisse. Ich rufe ihm noch nach, dass er mir vor ein paar tagen mein taxi weggenommen hat und ob ihm das bewußt gewesen wäre, bekomme aber keine antwort mehr. Zeb trausnik und die seinen sind bereits außer hörweite. Ich gehe also mit meinem kleinen zurück in die wohnung und hole meine babytrage.

Ich wohne im haus mit zeb trausnik. Mein zeitungsverlag kann das rätsel der verschwundenen zeitungen auch nicht lösen. Laut lieferkette wird mir meine zeitung täglich vor die türe gelegt – außer sonntags. Ob es denn nicht nur an sonntagen vorgekommen sei und das ganze ein schreckliches mißverständnis? Ich bin empört und lege auf. Ich überlege mir, auf ein online abo umzusteigen.

Seit knut rabsierz im haus wohnt, hat sich einiges geändert, merke ich. Am abend ist der menschliche verkehr im stiegenhaus angewachsen und sie ziehen an meiner türe vorüber. Sie sind laut und sprechen ruppig, herrisch. Das kann ich sogar trotz laufenden fernsehers hören. Sie gehen zu knut rabsierz. Manchmal höre ich sie auch in der nacht wieder nach hause gehen. Sie sind dann oft noch lauter. Manchmal aber sind sie entweder sehr leise oder ich schlafe schon. Eines morgens hat mir jemand vor die türe gekotzt. Ich gehe hinauf zu zeb trausnik, doch niemand öffnet.

Ich wohne im haus mit zeb trausnik. Ich gehe mit dem kleinen die stufen hinunter und sehe, wie sich einer der zwei leibwächter von meinem kinderwagen wegbewegt und sich mit einer hand im schritt herumnästelt. Irritiert bleibe ich kurz stehen, während die zwei schnell das haus verlassen. Ich gehe langsam weiter zum wagerl. Es ist nass. Die haustür öffnet sich und zeb trausnik und seine zwei begleiter betreten das haus. Ich stelle mich ihnen in den weg und spreche den besagten leibwächter an, ob er in mein kinderwagerl gepinkelt hat. Er schüttelt den kopf. Ich habe sie aber gesehen, konstatiere ich. Er zuckt mit den schultern. Ich wende mich nun an zeb trausnik mit den worten, dass das bitte doch nicht gehe dass sein leibwächter so eine sauerei anstelle und dass übrigens einer seiner gäste mir vor die wohnungstüre vomiert habe. Zeb trausnik entgegnet salopp, dass ich das doch bitte mit den jeweiligen verantwortlichen klären solle, mir sein leibwächter außerdem zu verstehen gegeben habe, dass er nichts damit zu tun habe und übrigens habe er selbst sowieso und außerdem damit wirklich auch nichts zu tun und er müsse nun in einer dringenden angelegenheit weiter. Seine leibwächter schieben mich aus dem weg und der kampftrupp zieht von dannen.

Ich wohne im haus mit zeb trausnik. In das kinderwagerl pinkelt mir niemand mehr. Zumindest jetzt. Auch sonst ist es schon lange ruhig im haus. Da meine zeitung mittlerweile manchmal sogar da ist, kommt mir erst jetzt der verdacht, kurt zebasin könne auch etwas damit zu tun haben. Jetzt ist aber erst mal Sommer.

Andere Dinge haben sich nicht geändert. Seit zeb trausnik im haus wohnt, sind die mülltonnen immer voll. Die hausverwaltung kauft bei der stadt zwei mülltonnen mehr ein. Meiner Neugier nachgebend öffne ich einen der großen schwarzen müllsäcke von zeb trausnik. Eine leere große kartonschachtel befindet sich darin.

Es ist endlich warm draussen und meine kinder sind im hof und bemalen pflastersteine mit straßenkreide. Ich genieße die wärme des sommers in der wohnung. Als ich meine kinder schreien und laut protestieren höre gehe ich zum fenster und sehe noch die hoftüre ins schloss fallen. Ich meine noch kurz einen lackbedeckten fuß verschwinden zu sehen. Ich rufe meine kinder an, die mir aufgeregt und durcheinander erzählen, dass ihnen „der von oben“ die kreiden weggenommen hätte. Ich seufze laut.

Nach dem sommer kommen die gäste wieder. Es sind weit mehr geworden und sie ziehen nachts lärmend fäkalien und vomitus verbreitend durch das stiegenhaus. Ich suche zeb trausnik auf. Nachdem ich es fünf mal probiert habe, öffnet mir einer seiner leibwächter beim sechsten mal die tür. Ich beharre darauf mit zeb trausnik zu sprechen, der nach einigem hin und her dann doch noch zur türe kommt. Ich spreche ihn auf die hinterlassenschaften seiner gäste an und ob er denn nicht bitte seinen müll trennen könne, da wir dadurch weniger mülltonnen und damit weniger betriebskosten hätten und ob es sein kann, dass er etwas darüber weiß, wer meinen kindern die kreiden weggenommen habe. Aber, aber – so meint er – wenn seine gäste ab und zu etwas lauter wären, täte es ihm leid, jedoch könne er keine verantwortung für das übernehmen, was außerhalb seiner vier wände passiere. Manchmal einen über den durst zu trinken, sei ja sicherlich auch mir schon passiert. Ich protestiere, dass seine gäste doch überaus oft einen über den durst tränken. Das mit dem stiegenhaus würde er in ordnung bringen, verspricht er mir noch ich murmle ein ‚danke‘ während er schon die türe schließt. Auf die weiteren punkte meiner klage geht er nicht ein. Einen monat später bekomme ich von der hausverwaltung ein schreiben, dass die reinigung des stiegenhauses fortan zweimal pro woche stattfinde und sich die betriebskosten daher weiter erhöhen.

Die nachbar_innen aus dem dritten stock ziehen aus.

In der nacht klopft jemand gegen die wand. Meine kinder können schwer schlafen und fürchten sich. Ich horche in das haus hinaus und hinein, kann das klopfen aber nicht wirklich lokalisieren. So geht es ein paar nächte lang, bis ich dann die polizei rufe. Kurz bevor sie eintrifft, hört es auf. Sie ziehen daraufhin unverrichteter dinge wieder ab. Ich habe die polizei mittlerweile fünf mal gerufen, aber das klopfen stoppt jedesmal, sobald sie eintrifft. Die polizist_innen sind daher beim sechsten mal eher ungehalten und drohen, einen drogentest bei mir machen zu wollen, weil ich wahrscheinlich eher was eingeworfen habe. Die polizei rufe ich daher nicht mehr. Das klopfen geht weiter. Zeb trausnik treffe ich immer noch ab und zu im stiegenhaus. Er grüßt nach wie vor und fliegt schnellen schrittes an mir vorbei. Heute kann ich mir es nicht verkneifen und rufe ihm hinterher, ob ihn das klopfen in der nacht nicht auch so störe, wie uns. Der kampftrupp hastet bei der haustüre hinaus.

Weitere nachbar_innen aus dem dritten stock ziehen aus.

Meine hausverwaltung ruft mich an und sagt, dass eine beschwerde über mich eingegangen wäre von zeb trausnik. Dass ich ihn fortwährend dinge beschuldige, mit denen er nichts zu tun habe und ich nicht von ihm ablässe. Er hätte doch die sache mit dem beschmutzten stiegenhaus gelöst. Alles andere, dessen ich ihn verdächtige, sei unwahr und dass sie mich bitten, dies doch zu unterlassen. Ich erzähle ihnen vom klopfen, von den mülltonnen, von den gästen – sie verweisen mich an zeb trausnik. Er sei eigentümer, aber sie, die hausverwaltung, sei nunmal gleichzeitig mein vermieter und hiermit verpflichtet, mir die beschwerde weiterzuleiten. Wenn ich eine beschwerde über zeb trausnik hätte, müsse ich ihm das schon persönlich übermitteln. Da könne auch die hausverwaltung nichts machen.

Die nachbar_innen aus der nebenwohnung ziehen aus.

Ich hänge die sommerdecken in den hof zum auslüften. Als ich sie am abend wieder holen will, sind zwei davon verschwunden, die dritte liegt auf den dreckigen mülltonnen. Ich hänge einen zettel auf das schwarze brett, ob jemand meine decken gesehen hätte. Zwei tage später hat jemand unanständige bilder über meine nachfrage an die hausgemeinschaft gezeichnet. Ich lassen den zettel weiter hängen. Weitere zwei tage später ruft mich die hausverwaltung an, dass ich unanständige bilder im haus verbreite und dies doch bitte unterlassen solle. Wenn ich weiterhin schwierigkeiten mache, so müsse man sich weitere schritte überlegen, wie mit mir als renintente mieterin umgegangen werden solle.

In die nebenwohnung zieht eine neue nachbarin ein. Sie ist eine gute bekannte von zeb trausnik.

Wenn meine kinder in ihrem zimmer spielen und dabei etwas lauter werden, klopft die neue nachbarin gleich gegen die wand. Einen monat später läutet sie dann das erste mal an meiner tür. Sie beschwert sich lauthals über meine ungezogenen fratzen und dass sie sich leider gezwungen sähe, rechtliche schritte gegen mich einzuleiten. Als ich ihr klarzumachen versuche, dass meine kinder halt öfters laut wären, das aber im bereich des normalen liege, beschimpft sie mich mit hochrotem kopf, dass wir den ganzen tag zu hause sitzen würden und sie als leistungsträgerin doch ihre ruhe brauche. Dass auch ich arbeiten gehe, geht in ihrem hysterischem gegacker unter.

Ein paar tage später höre ich sie mit zeb trausnik im stiegenhaus laut sprechen und lachen. Ich meine die worte arbeitsscheu, kinderwerfend, verantwortunglos zu hören, bin mir aber nicht sicher.

Weitere mieter_innen ziehen aus. Die leeren wohnungen werden jetzt schneller nachbesetzt. Mit weiteren freund_innen von zeb trausnik.

Einen monat später kommen arbeiter_innen und beginnen, das verbleibende grün im hinterhof zuzubetonieren. Eine der neuen nachbarinnen, eine freundin von zeb trausnik, überwacht die aktion. Auf meine frage, was zur hölle denn hier los sei meint sie salopp, dass sie immerhin etwas über hinterhöfe in wien gelesen habe – wahrscheinlich im gegensatz zu mir - und sie dies für die beste möglichkeit gehalten habe, ordnung in dieses verwahrloste stück grün zu bringen. So könne man es eben am besten nutzen. Da sie die wohnung hier mittlerweile gekauft habe, gehöre ihr ja praktisch auch ein teil des hinterhofes persönlich und sie könne damit verfahren, wie sie es für richtig halte.

Als der beton getrocknet ist, steckt sie sich einen teil des neu betonierten hofes ab und stellt sich einen liegestuhl hinein.

Ich bekomme einen brief vom gericht. Ruhestörung. Bei der anhörung ist meine direkte nachbarin dabei, die sich wild gebärdet. Danach geht sie mit dem richter essen.

Meine zeitung kommt gar nicht mehr. Ich kündige mein Abo.

Weitere wohnungen werden nachbesetzt. Ein unangenehmer kleiner giftzwerg zieht ein. Er hat einen großen hund, der tagsüber durchs stiegenhaus streift. Meine kinder haben angst vor ihm. Also spreche ich ihn darauf an. Meine kinder seien verweichlicht, sagt er darauf. Eine gute und stramme erziehung gehe schließlich von den eltern aus und dass er – wenn er mich so ansehe – das bei mir nicht annehmen könne. Gespräch beendet.

Fast alle meine alten nachbar_innen sind mittlerweile ausgezogen. Nur das alte ehepaar im parterre ist noch hier. Sie haben kein geld für einen umzug und wollen auf ihre alten tage auch keinen wechsel mehr. Er erzählt mir das im flüsterton draußen vor der türe und blickt sich ängstlich um.

Kurt zebasin beginnt seit neuestem, ansprachen im haus zu halten. Über zusammenhalt, ordnung, schönheit. Dass diejenigen, die mithelfen würden, das haus in diesem sinne zu gestalten zu den ordentlichen gehören, den anständigen, die bereit sind, in teamarbeit dies umzusetzen. Frenetischer applaus im stiegenhaus. Manchmal dürfen auch andere der neuen mieter_innen kurze ansprachen halten, um ihre teilhabe an dem projekt zu bekunden. Als ich das wort ergreifen will, hört mir keiner zu. Ich versuche mich laut darüber zu beschweren, werde aber teils mit giftigen blicken, teils mit süffisanten lächeln an den rand gedrängt.

Ich wohne mittlerweile in einem tollhaus. Mein kinderwagerl habe ich irgendwann entsorgt, meine zeitung abbestellt, meine wäsche hängt in der wohnung und meine kinder gehen alleine nicht mehr hinaus. In der nacht ist es weiterhin laut, das stiegenhaus trotz putzens weiterhin stark verschmutzt. Der hund vom giftzwerg trägt dazu munter bei. Die ansprachen von kurt zebasin finden weiterhin statt, ich drehe dabei aber laut musik auf, damit ich sie nicht hören muss. Eine weitere klage wegen lärmbelästigung flattert mir ins haus.

Ich bin mittlerweile zerknirscht, möchte aber meine wohnung nicht so einfach aufgeben. Daher beschließe ich, dafür zu kämpfen.

Im frühling ziehen in einer nacht und nebel aktion plötzlich viele der neuen nachbar_innen aus. Aus den ansprachen von zeb trausnik entnehme ich, dass sie ihm schon lange unerwünscht waren, dass sie maßgeblich zu dem schlechten zustand des hauses beigetragen haben und er leider zu diesem schritt gezwungen war. Ich atme etwas durch, überlege meine kampfpläne doch noch etwas warten zu lassen. Der giftzwerg mit seinem hund ist weg, ebenso meine hysterische direkte nachbarin. Die klage, die sie gegen mich eingebracht hat, verschwindet jedoch leider nicht mit ihr.

Im haus ist es endlich ruhiger geworden. Ich überlege, ob ich es wieder einmal wagen soll, meine wäsche in den hof zu hängen. Als ich es dann tue, finde ich sie am nächsten tag im mülleimer wieder. Ich nehme meine kampfpläne wieder auf. Ich rufe die hausverwaltung unter falschen namen an, um mich nach den leer gewordenen wohnungen und potentiellen eigentümer_innen zu erkunden. Ich finde heraus, dass kurt zebasin die wohnungen reserviert hat mit der absicht, sie zu kaufen.

Neue mieter_innen ziehen ein. Auch sie scheinen freund_innen von zeb trausnik zu sein, jedoch ist der jubel im stiegenhaus nicht mehr so frenetisch, wie er vorher war. Vielmehr stehen die ganz neuen mieter_innen immer etwas verhalten in den ecken des stiegenhauses und blicken oft betreten zu boden. In ihren ansprachen geht es um schönheit, zusammenhalt, ordnung. Ordentlicher sind sie tatsächlicher und auch nicht so rüpelhaft, wie das pack vorher. Ich traue mich wieder zu den ansprachen, jedoch hört mir weiterhin niemand zu und ich gebe es wieder auf.

Auf dem markt höre ich, dass es auch in anderen häusern in der umgebung ähnliche entwicklungen, wie in meinem haus gibt. Gerüchten zufolge, gehören viele der wohnungen in den häusern mittlerweile zeb trausnik, der zackigen schrittes durch das viertel eilt, um nach dem rechten zu sehen. Zumindest nehme ich das an, weil ich es so genau nicht weiß.

Ich versuche da und dort leute anzusprechen, ob sie nicht auch so entnervt seien wie ich über die situation, aber viele haben angst, ihre wohnungen zu verlieren.

Einen monat später schließt mein kindergarten in der straße. Es eröffnet ein business start-up golden economy job center mit gold umrahmter glasfassade. Als motto haben sie: „damit sie sich nicht fragen, wo ihre leistung war“. Jedesmal, wenn ich mit den kindern vorbeigehe, steht ein gemeiner kleiner gnom am fenster und reißt einem stoffhasen die ohren aus. Meine kinder weinen jedesmal. Ich nehme fortan einen anderen weg.

Wir haben eine elterngruppe gebildet und betreuen unsere kinder im rad. Da sich die situation in vielen häusern und im gesamten viertel verschlechtert, sind nun einige auf meiner seite und wollen sich wehren. Leider hat zeb trausnik sein ganzes klientel runderhum verteilt, so dass wir in der minderzahl sind. Ein golden business start-up econonomy kidz center eröffnet statt eines neuen kindergartens. Als konzept bieten sie business english für die kleinsten, gelebte neoliberale spielzeugwirtschaft und ein fit-for-economy bewegungsprogramm. Da er privat und teuer ist und mich und die anderen eltern vom konzept her nicht so überzeugt, meldet die elterngruppe ihre kinder nicht an.

Zeb trausnik hält seine reden nunmehr in jedem haus und bald auch schon am markt. Über schönheit, ordnung, zusammenhalt. Ein weiteres wort kommt dazu: zukunft.

Ich wohne im viertel mit zeb trausnik.

Mittlerweile scheinen sich zeb trausnik und die seinen überallhin auszubreiten. Die dunkelhaarige Innenhofzubetoniererin – eine freundin von zeb trausnik – lebt ihre grünphobie mittlerweile überall im viertel aus. Viele parks hat sie persönlich mit ketten abgesperrt und sitzt jeden tag mit ihrem liegestuhl woanders vor einem park und hält wache. Wie ein kleiner dobermann fletscht sie ihre zähne, wenn man der absperrung auch nur zu nahe kommt. Unsere kinder haben begonnen ihr semmelstückchen zuzuwerfen. Aber nur, wenn sie zeb trausniks leibwächter nicht in der nähe wissen. Die haben sich irgendwie nämlich vermehrt. Jedes haus und jede straße hat sie nun irgendwo stehen. Dort lauern sie uns auf.

Wir wohnen im viertel mit zeb trausnik.

Mittlerweile gibt es neben zeb trausniks reden, die er in häusern, auf dem markt und vor den geschlossenen parks hält, einen großen haufen plakate mit ankündigungen und tollen fotos von ihm. Egal, wo ich hinschaue, überall blickt er mir entgegen. Auch unser haus ist vollständig von plakaten bedeckt. Lediglich die fenster sind freigelassen worden. Leider nicht meine. Die wurden überklebt. Ich verstehe nicht, wie es leute geben kann, die ihn toll finden. Bei allen reden jedoch stehen genug da und jubeln ihm zu. Wir haben sie jubeltrausniks getauft. Die stimmung im viertel wird unangenehm. Es wird mehr geschimpft und beschimpft. Dabei geht es immer um schönheit, ordnung und auch sicherheit. Um zukunft eher selten. Die haben irgendwie alle aus dem blick verloren. Den in die zukunft gerichtete blick des kindes mit den blauen augen auf zeb trausniks plakaten, kann ich bei niemandem sehen.

Wir wohnen im viertel mit zeb trausnik.

Eines tages sind die plakate von zeb trausnik überklebt mit anderen plakaten. Plakate, die anklagen, was aus unserem viertel geworden ist. Erst sind es nur wenige, die von den leibwächtern stante pede und radikal entfernt werden. Zeb trausnik spricht von meinungsterror und dass er kein verständnis für solchen – ja – hass habe. Wenn es denn gegner_innen gäbe, so sollen sie sich dem demokratischen dialoge mit ihm stellen und nicht in hinterfotziger art und weise vandalismus betreiben. Er mache sowas ja schließlich auch nicht. Die plakate werden jedoch beharrlich mehr und mehr und sie werden auch beharrlich wieder und wieder aufgeklebt. Als eines morgens ein park von seiner umzäunung befreit ist, wird der ton zeb trausniks schärfer, seine freund_innen unfreundlicher und bissiger. Ich schlafe kaum noch. Jetzt kämpfen wir.

Bei zeb trausniks reden geht in letzter zeit vieles schief. Der strom fällt ab und an aus, die techniker_innen sind ratlos. Abgezwickte kabel belegen zeb trausniks vandalismus und radikalismus theorie. Ein gegenstandpunkt macht die runde, nach dem die kabel von seinen eigenen leuten durchgeschnitten wurde. Es tauchen weitere schreiben auf, die die zustände und eigentumsstrukturen in häusern benennen. Und den grund, warum mieten und betriebskosten in letzter zeit gestiegen sind.

Noch wohnen wir im viertel mit zeb trausnik.

Die polizei kommt uns besuchen. Sie quälen uns mit anzeigen und nächtlichen an-die-tür-klopfen. Wir zucken ratlos mit den schultern, wenn sie uns verhören. Wir halten dicht. Wir sagen nichts. Wir machen weiter. Zeb trausnik wirkt jetzt oft unsicher. Ein beschwerdechor bei seinen ansprachen nimmt ihm den platz zum reden. Die chorsänger_innen werden von seinen leibwächtern abgeführt. Ein mulmiges gefühl breitet sich langsam aus.

Die menschen werden langsam unsicher, ob sie mit zeb trausnik wirklich richtig liegen. Wenn ihr wirklich richtig steht, seht ihr, wenn das licht angeht. Es wurde jedoch nicht licht.

Am nachmittag beginnt es zu regnen. Keine frösche. Nur wasser. An langen dunklen tagen rinnt es die straßen hinunter. Erst in bächen – dann immer mehr in kleinen flüssen. Zeb trausnik hält die reden fortan nur mehr in den häusern. Seine stimme krächzt und kreischt hysterisch. Sein zackiger schritt knickt ab und zu ein. Worte fliegen durch die fenster auf die straßen, wo sie wegen des regens nicht mehr gehört werden. Das publikum ist weniger frenetisch. Es ist jetzt nass wie ein alter pudel und riecht auch so. Es wird abgeschmackt. Es regnet weiter.

Das wasser steht mittlerweile in den häusern drinnen. Zeb trausniks leibwächter sind fortan damit beschäftigt, sandsäcke aufzustapeln und bretter durch die straßen zu legen, damit es überhaupt noch irgendwie möglich ist, trockenen fußes durch das viertel zu kommen. Nur noch ein harter kern kämpft sich durch, um zeb trausnik zuzuhören. Er wettert, so wie es draußen wettert. Und es wettert weiter. Die erde wird umspült, überspült, unterspült. Unbemerkt, heimlich, still und leise löst sich was am uferrand. Und plötzlich – hast-dus-nicht-gesehen – ein riesenbrocken, der mit großer wucht in den fluß fällt. Eine welle planscht lustig durch das flußbett und weiter ins tal. Und die welle wächst und wächst, nimmt von links und rechts mehr wasser auf . Und sie rollt.

Zeb trausnik hat sich wieder mal hinausgewagt. Mit regenschirm, überdachter bühne und eigenen generatoren, um den ärgerlichen stromausfällen zu entgehen. Wir sind auch da. Haben pläne. Das wasser steht uns in den schuhen, das wasser rinnt uns von den köpfen in die krägen, die bäuche runter und rein in die hose. Es ist ziemlich nass. Das mikrofon gerät in eine feedbackschleife und kreischt und quietscht. Es lässt sich nicht stoppen. Es ist laut, es schmerzt in den ohren. Ein grinsen macht sich bei uns breit. Hektik auf der bühne, zeb trausnik ist noch nicht da, aber wir wissen, dass er hinter der bühne rumpelstilzchen spielt. Wir lachen uns ins fäustchen. Hinter der zeltbühne rollt etwas heran. Ein großes grau in grau und es ist nicht wirklich klar, ob es eine weitere wolkenbank oder etwas anderes ist. Es kommt näher und näher. Die menschen beginnen zu schreien, zu flüchten. Eine welle. Eine riesige, riesige welle schwappt auf uns zu. Wir halten uns aneinander fest. Wir schließen die augen. Die welle schwappt über uns hinweg und trägt alles davon. Den feedback ton, das mikrofon, die anlage, zeb trausniks leibwächter spülen über uns hinweg, die bühne, die plakate mit seinem konterfei. Ich kann die augen nicht mehr länger offen halten und halte mich nur an den anderen fest, damit es nicht auch mich wegspült. Die welle rollt durch das viertel und nimmt alles mit, was sich nicht halten kann. Es spült die häuser aus, es spült die geschäfte leer, es spült die straßen ab.

Mein haus ist jetzt leer geworden. Und es ist ruhig geworden. Wir wollen jetzt was anderes. Für uns und unsere kinder. Fangen wir an.